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Kneipe Kolu

Landstraßenkneipe aus dem 19. Jahrhundert

Das an der Landstraße Tallinn-Tartu gestandene Kneipengebäude mit einem Stall wurde in den 1840ger Jahren im Landkreis Harju im Kirchspiel Kose im Dorf Kolu errichtet. Ins Museum wurde die Kneipe 1968 gebracht.

Schon im Mittelalter bauten Gutshöfe an größere Landstraßen Kneipen. Dort wurden die Produkte eigener Brennerei verkauft, den Reisenden wurde Unterkunft und Verpflegung angeboten. Die Bauern hörten von Reisenden Nachrichten, machten Geschäfte, mieteten Mädchen. Die meisten Kneipen wurden 1900 nach der Einführung des staatlichen Schnapsverkaufsmonpols geschlossen.



Die Zentren des estnischen Landlebens waren Jahrhunderte lang Kirche, Kneipe, später auch Schule. Kirche, Kneipe und Mühle – sie stehen allen immer offen, sagte man in Ambla.

Die Gutsherren begannen spätestens im 15. Jahrhundert aus Holz Kneipengebäude zu bauen, in denen Schnaps und Bier verkauft wurden und beim Bedarf Unterkunft angeboten wurde. Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts war teilweise auf Anforderung der schwedischen Mächte ein Kneipennetz ausgebildet. Fast jeder Gutshof, auch jedes Pastorat hatte eine Kneipe, in der profitabel Bier-Schnaps eigener Brauerei verkauft wurde. Im Zarenreich brauchten die Gutshöfe, die sich vom Krieg erholten und immer prachtvoller wurden, Einnahmen, die durch den traditionellen Kornverkauf nicht mehr erzielt werden konnten. So wurden in den 1770-1780ger Jahren die gewinnbringende Kornbrennerei und der Bau vorläufig hölzernen Kneipen intensiver.


In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden statt Holzkneipen zahlreiche Kneipen mit Steinställen oder gänzlich aus Stein errichtet, derer Grundriss derselbe war: ein großes Kneipenzimmer, Herrenstube, Wohnraum des Schankwirtes, Thekenraum, Speisekammer und Stall. Der Ofen des Kneipenzimmers wurde aus der zentralen Mantelschornstein-Küche geheizt, auf ihrer offenen Feuerstelle kochte die Schankwirtin das Essen.

An großen Hauptstraßen gab es Kneipen, die an beiden Enden einen Stall (Pferde von Herren und Bauern durften nicht zusammen sein!) und mehrere für bessere Menschen gedachte Herrenkammern hatten. An örtlichen Straßen hatten die Kneipen einen Stall und für Handwerker und reichere Bauern eine Herrenkammer. Die Kneipe Kolu vertritt eben den letzten Typ.





1 – Kneipenzimmer, 2 – Herrenstube, 3 – letiruum, 4 – Wohnraum des Schankwirtes, 5 – Mantelschornstein-Küche, 6 – Flur, 7, 8 – Speisekammern, 9 – Stall



Schon gewusst?


  • Ende des 19. Jahrhunderts wurde in der estnischen Provinz – Landkreise Harju, Wierland, Järva und Wiek – etwa 2 Millionen Eimer Schnaps produziert (Eimer = 12,3 l). Etwa die Hälfte wurde nach Russland und ein Teil nach Deutschland exportiert, der Rest wurde aber in örtlichen Kneipen verkauft und getrunken.


  • Wenn es Ende des 19. Jahrhunderts etwa mehr als 100 Kirchspielkirchen gab, in denen um die Seele gesorgt wurde, dann betrug die Zahl von Kneipen bis zu ca. 2.400.


  • Auf der Karte Nordestlands vom Jahr 1871 waren an der Landstraße Tallinn (damals Reval)-Narva 52 Kneipen, an der Landstraße Tallinn-Pärnu 18 Kneipen und an der Tallinn-Keila-Haapsalu Landstraße 13 Kneipen markiert.


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